Dienstag, 9. März 2010

Chef im Nobelhaus: Peter C. Borer und die Peninsula Group


Bald 30 Jahre arbeitet Peter C. Borer nun schon für seine Company. Er ist nicht durch Jobhopping zum Chief Operating Officer aufgestiegen, sondern innerhalb und mit seiner Gruppe gewachsen. Er hat auch nicht die Hotellerie neu erfunden, sondern sieht sich vielmehr als Bewahrer klassischer Servicetugenden, was das Ahnen und Vorhersehen von Gästewünschen und deren Erfüllung durch innovative Hard- und Software keineswegs ausschließt.

Aktionismus hat bei Peninsula keine Chance. Dort denkt man – China lässt grüßen – in Generationen. Kein Wunder, dass das Vorbild für das Noble House in James Clavells gleichnamigem Hongkong-Roman das Handelshaus HSH gewesen sein soll. HSH steht für die Muttergesellschaft der Peninsula-Hotels, das Hotel- und Immobilienunternehmen The Hongkong and Shanghai Hotels, Limited (HSH). Dessen Aktien befinden sich mehrheitlich im Besitz der Familie Kadoorie. Seit über 100 Jahren.

Tradition hat auch die Familie Borer, die im Schweizer Kanton Glarus das Hotel Schwert zum damals bekanntesten und besten Hotel zwischen Zürich und Chur gemacht hat. So wusste Peter Borer „schon immer“, dass auch er Hotelier werden wollte. Auch Borers Schwester Rosmarie hat das Hotel-Gen geerbt. Sie führt gemeinsam mit ihrem Mann Emanuel Berger mehr als 30 Jahre lang das Victoria-Jungfrau Grandhotel & Spa in Interlaken (Seite 9). Dort absolvierte Peter Borer 1973 im Service sein erstes Praktikum nach Abschluss der Hotelfachschule Lausanne. Dann zog es ihn nach New York. Er absolvierte die School of Hotel Administration der Cornell University, ging nach San Francisco, auf die Bermudas, nach Frankfurt, Davos, Manila, Hongkong, Bangkok und wieder nach Hongkong.

1981 folgte er dem Ruf der Peninsula Hotels, arbeitete in Bangkok und Hongkong, und wurde 1985 zum Director of Sales & Marketing in der Hongkonger Zentrale berufen. 1990 folgte die Ernennung zum Senior Vice President, 1994 zum General Manager des Peninsula-Flaggschiffs in Hongkong. 1999 wurde er zusätzlich Regional General Manager für die vier asiatischen Peninsula Hotels in Hongkong, Manila, Bangkok und Peking, dann Group General Manager Asien. Seit 2004 ist Peter C. Borer Chief Operating Officer der feinen Kollektion.

Seit er zum COO ernannt wurde, wohnt und arbeitet „Mr. Peter“ in der Zentrale der Gruppe in Hongkong. Das Peninsula auf der anderen Hafenseite in Kowloon hat er von dort immer im Blick. Jeden Morgen um vier Uhr ist für den „sehr“ Disziplinierten die Nacht vorbei. Regelmäßige Workouts mit seinem Personal Trainer bereiten ihn auf den Arbeitstag vor und auf den alljährlichen Oxfam-Walk. Dieser „Wahnsinnslauf“ führt über 100 Kilometer mehrmals den Hongkonger Hausberg Peak hinauf und hinunter. Borer, der Marathon-Mann, ist mehrfach erfolgreich mitgelaufen.

Der private Borer ist ein ausgesprochener Familienmensch. Mehrmals pro Jahr besucht er seine Schweizer Heimat, Schwester Rosmarie und seinen Schwager und Kollegen Emanuel Berger. Als Freund zeitgenössischer, aber auch alter chinesischer Kunst ist er auf seinen Reisen häufig in Museen und Galerien anzutreffen.

Da kommt man auf Ideen. Denn welche Hotelgruppe hat schon eine eigene Academy, auf der Hotelgästen während ihres Aufenthalts die chinesische Kultur näher gebracht wird? Peter C. Borer hat diese Idee aus eigenem Erleben entwickelt, weil er selbst nicht „in ein rigides Sightseeing-Programm gedrängt werden möchte“. Die Workshops der Peninsula Academy bringen den Gästen TaiChi ebenso näher wie die Traditionelle Chinesische Medizin, Teezeremonie, Kräuterheilkunde oder Feng Shui. Beliebtestes Unterrichtsfach sind der Marktbummel mit dem Chefkoch und das Kochen. Die Kursgebühren sind happig und damit ein gutes Zubrot fürs Hotel. Kein Wunder, dass die übrigen Peninsula-Häuser nachgezogen haben und ihre lokalen Vorzüge in Academy-Angeboten bündeln.

Peter C. Borer vergleicht seine Mitarbeiter mit einem eingespielten Orchester. Im Pen Hongkong kommen auf ein Zimmer drei Mitarbeiter. Das Geheimnis einer nahezu 100-prozentigen Gästezufriedenheit? „Zufriedene Mitarbeiter, zufriedene Gäste“, sagt Borer. Da ist er mit den Eigentümern einig. Den Kadoories geht wertkonservatives Unternehmertum über den reinen Shareholder-Value. Klar, die Hotels sind kein Hobby und müssen sich lohnen. Doch Peninsula ist Garant für Spitzenergebnisse.

2006 schloss die Gruppe mit „fabelhaften Zahlen“ ab. Bei einem Umsatz von 270 Mio. US-Dollar wurde ein Netto-Gewinn von90 Mio. erwirtschaftet. „Wir sind teuer“, sagt Borer, „aber wir schämen uns dessen nicht“. Schließlich erhalte der Gast einen besonderen Gegenwert. Allein in ihr neues Shanghaier Haus (Eröffnung 2009) investiert die Gruppe300 Mio. US-Dollar. „Und wir verdienen trotzdem gutes Geld, weil der Return on Investment stimmt“, sagt Borer. „Wir wollen nicht die Größten sein, sondern die Besten und die Rentabelsten. Und das sind wir.“

An jedem ihrer Standorte liegen die Peninsulas ganz vorn in Bezug auf den RevPar. In Hongkong sogar mit großem Abstand. Das legendäre Flaggschiff der Gruppe hat 2006 seine Durchschnittsrate um 17 Prozent auf 3601 HK-Dollar (rund 325 Euro) gesteigert und damit einen Ratenrekord in Hongkong erzielt.

An den guten Geschäften partizipieren die Aktionäre mit Dividenden. Aber auch die Mitarbeiter. „Als gute Firma hat man immer ein Kissen für schlechte Zeiten zu haben und vorzusorgen“, kommentiert Peter Borer das Unternehmens-Credo. Das kommt vor allem in schwierigen Zeiten zum Tragen. „SARS war eine fürchterliche Zeit“, erinnert sich Borer schaudernd. Von jetzt auf nachher keine Gäste mehr, aber gut 800 Mitarbeiter auf der Payroll. „Wir haben niemanden entlassen und voll weiter bezahlt“, betont er. Und erwähnt „die Riesenverantwortung“ des Hauses gegenüber Stadt und Gemeinwesen: „Es hängen doch auch 800 Familien dran.“ Die Angestellten danken die Haltung mit Treue. Mehr als 100 von 800 Mitarbeitern des Hongkonger Flaggschiffs tragen die silberne Peninsula-Nadel für mehr als 25 Jahre Dienst im Nobelhaus.

Borer hält sein Team ständig auf Trab. Denn Querdenken ist ihm Prinzip. Nur weil etwas immer so war, muss es nicht so bleiben. Statt wie viele andere an der Kostenschraube zu drehen, setzen die HSH-Manager auf Umsatzoptimierung, stellen dafür alles in Frage und analysieren jedes Projekt, um im Verbund mit einer Verbesserung mehr herauszuholen. „Wir haben aus ehemaligen Büros Ladengeschäfte gemacht. Das schlägt sofort aufs Ergebnis durch.“

Büros kann man überall positionieren, gut gelegene Shops dagegen nicht. Ein junges interdisziplinäres HSH-Team darf während der Arbeitszeit „spinnen“ und als „Gast der Zukunft“ nach vorne schauen. Daraus entstehen nützliche Ideen, wie etwa den iPod im Hotelzimmer abzuspielen und den Blackberry aufzuladen. „Daran hätten wir doch vor fünf Jahren nie gedacht“, kommentiert Borer.

Die Peninsula-Gruppe pflegt Traditionen. „Geschmeichelt und gerührt“ war Peter Borer, als das spektakuläre Rooftop-Restaurant des neuesten Peninsula Hotels in Tokio nach ihm „Peter“ getauft wurde. Diese Tradition, den Direktoren-Namen in einem Restaurant zu verewigen, hat die Kadoorie-Familie 1953 mit dem Gaddi’s begründet, benannt nach dem früheren General Manager Leo Gaddi. Es folgte das Felix im 28. Stock des Pen-Towers: designed by Philippe Starck, benannt nach Felix Bieger, dem direkten Vorgänger Borers. Dass dereinst ein Restaurant Chan’s nach Rainy Chan, der amtierenden Generaldirektorin des Pen Hongkong, heißen könnte, scheint also – fast – sicher.

Apropos. Als Erster innerhalb der Gruppe hat sich Borer schon vor Jahren gezielt der Frauenförderung verschrieben. Die Chinesin Rainy Chan ist nach vielen Schweizer Vorgängern seit Anfang 2007 als erste Frau Chefin des Hongkonger Peninsula-Flaggschiffs. Mit Maria Razumich Zec, General Managerin des Peninsula Chicago, trägt eine Frau die Regionalverantwortung für die drei US-amerikanischen Peninsulas. Viele weitere Frauen aller Nationalitäten werden in der zweiten Reihe auf ihre Chance vorbereitet. „Bei unseren Management-Meetings sitzen mehr Frauen als Männer am Tisch“, lacht Borer.

Er findet es vorteilhaft und gut, „dass wir so klein sind“. Mehr als weltweit 12 bis 15 Peninsula-Hotels kann er sich ohnehin nicht vorstellen, da ausschließlich in Städte mit Infrastruktur expandiert wird. „Ein Peninsula ist ein Luxusprodukt, das passt nicht nach Dalian oderDubai“, ist Borer sicher und verzichtet dankend auf eine rasantere Expansion. Luxus à la Peninsula dauert und braucht (Entwicklungs-)Zeit: „Zwei Hotels alle fünf Jahre schaffen wir.“ Würde man schneller expandieren, „müssten wir unsere ‚Values‘ über Bord werfen“, sagt er. Ein Peninsula passt nach London oder Paris, Indien findet er spannend: „Dort sind die Baukosten niedrig, man könnte etwas ganz Einzigartiges bauen.“

„Wenn wir ein Hotel eröffnen, muss es perfekt sein. Wir sind eine Luxusmarke, vergleichbar mit einer Automarke, die ein neues Modell auf den Markt bringt. Rückrufaktionen können wir uns nicht erlauben.“ Deshalb wird vor allem am Zimmerprodukt gefeilt und wieder gefeilt, bis es dann fertig sein muss. Die 51 Quadratmeter Fläche der Standardzimmer im Peninsula Tokyo sind mit Eröffnung – zumindest firmenintern – fast schon wieder veraltet. Denn parallel sind längst die Attrappen der nächsten Zimmer-Generation für die Eröffnung in Shanghai 2009 in einem Hongkonger Lagerhaus in der Testphase. „Bis dahin haben wir wieder viele neue Dinge gelernt, um das Zimmerprodukt weiter zu optimieren und noch mal eins draufzusetzen“, weiß Peter C. Borer. Nur kein Stillstand.

Als Luxus empfindet Borer eine intakte Umwelt, weshalb Nachhaltigkeit („sustainability“) für ihn zu den wichtigsten aktuellen Themen gehört. Das darf nicht trendy, sondern muss gelebte Überzeugung sein. „Wir tun viele kleine Schritte, die der Gast nicht spürt, denn wir fühlen uns verantwortlich für die Zukunft“, kommentiert er das Engagement. Das beginnt bei chinesischen Bauern in den New Territories, denen das Pen-Team den Bio-Anbau schmackhaft gemacht hat. „44 Farmer beliefern uns schon regelmäßig“, schwärmt Borer. Oder die Flotte der 14 Rolls-Royce Phantom, in noblem Peninsula-Grün lackiert, die „sehr viel umweltverträglicher“ als die alten sind, wie Borer betont. Der Austausch der Flotte stehe ohnehin unter glücklichen Vorzeichen: Es war der insgesamt achte Tausch, und das kurz vor dem 80. Geburtstag des Hotels im Jahr 2008. Das freut Borer: „Die Acht ist in China eine Glückszahl.“ Barbara Goerlich

Erschienen in der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung, Ausgabe 2007/43, Seite 5